Issue 02
Klemens Schillinger

Interview mit dem Designer Klemens Schillinger: Über Sinn und Reduktion im Design

KLEMENS SCHILLINGER
Produkt- und Möbeldesigner
Royal College of Art London
freier Designer
lebt in Wien

VICKY GRINSTED
Design, Interview

Klemens Schillinger ist Produkt- und Möbeldesigner in Wien. Seit seinem Abschluss am Royal College of Art arbeitet er als freier Designer für verschiedene Designstudios und entwickelt parallel eigene Projekte. Seine Designs sind reduziert, klar und durchdacht. Sein New Address (Chair) O1 steht nun in unserem Space und verkörpert für uns das ideale Möbelstück. Wir haben mit ihm über die Gedanken hinter und Wege zu seinen Entwürfen gesprochen.

VI

Wie beginnt bei dir ein Entwurf: mit einer Idee, einem Material oder einer Funktion?

KL

Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal entsteht der Entwurf aus einem bestimmten Material heraus, ein interessantes Material kann sofort eine Idee auslösen. In anderen Fällen steht am Anfang ein Konzept, und ich suche danach gezielt das passende Material. Manchmal ist es auch ein Thema, das den Ausgangspunkt bildet.

Ein Beispiel ist die Half Tree Bench, die im Rahmen einer Ausstellung mit dem Titel Garten entstanden ist. Dafür habe ich Holzrundstäbe recherchiert, wie man sie häufig bei Gartenzäunen oder auf Spielplätzen findet. Dabei bin ich auf halbrunde Stäbe gestoßen, und aus dieser Entdeckung heraus entwickelte sich schließlich die Half Tree Bench.


VI

Über deine Produkte wurde gesagt, sie stehen für eine „Produktkultur des Weglassens“. Was bleibt, wenn man alles Überflüssige wegnimmt?

KL

Für mich geht es vor allem darum, dass ein Produkt oder Projekt eine klare Aussage hat, dass es verständlich ist und etwas eindeutig kommuniziert. Diese Klarheit kann funktional, aber auch konzeptuell sein.


Die Offline Lamp ist ein Beispiel, die für eine Ausstellung mit dem Titel Offline - Design for the Real World entstanden ist. Um das Licht einzuschalten, legt man sein Handy in eine kleine Lade und schließt sie. Erst dann geht die Lampe an, ohne das Handy bleibt sie aus. Die Idee dahinter ist simpel: aus den Augen, aus dem Sinn. Sie lädt dazu ein, das Smartphone bewusst beiseitezulegen und sich eine digitale Auszeit zu gönnen. Als kleine Belohnung bekommt man dafür Licht zum Beispiel, um in Ruhe ein Buch zu lesen.

"Für mich geht es vor allem darum, dass ein Produkt oder Projekt eine klare Aussage hat, dass es verständlich ist und etwas eindeutig kommuniziert."

halftree bench design by klemens schillinger, photo by l.hilzensauer - interview by plotting magazine - plot projects frankfurt
Klemens Schillinger: Half Tree Bench (Foto: L. Hilzensauer)
VI

Wie gehst du mit Überfluss um, in Gedanken, in Dingen, in Eindrücken? Sind Minimalismus und Fokus wichtige Themen auch in deinem Leben?

KL

Ich würde mich selbst nicht als Minimalisten bezeichnen, im Gegenteil, ich bin eher ein bisschen chaotisch. Klingt vielleicht nach Klischee, aber dieses kreative Chaos ist oft die Brutstätte meiner Ideen. In solchen Momenten entsteht vieles intuitiv. Aber ich brauche auch Abstand von dem Chaos, einen Spaziergang zum Beispiel, um die Gedanken zu ordnen und das Wesentliche herauszufiltern.

Für mich geht es weniger um strengen Minimalismus, sondern darum, Klarheit zu schaffen: zu erkennen, was bleibt und was weggelassen werden kann.

VI

Was ist der „poetic accent“ in deiner Arbeit?


KL

Reine Reduktion kann schnell ins Belanglose kippen. Wenn etwas nur minimalistisch ist, fehlt oft die Spannung. Für mich entsteht der poetic accent dort, wo Klarheit und Emotion sich begegnen. Es ist die erzählerische Ebene meiner Arbeit, manchmal ganz leise, fast versteckt, manchmal stärker spürbar. Dieses poetische Moment fügt den Dingen eine zweite Schicht hinzu, etwas, das man nicht sofort greifen kann, aber fühlt. Es ist das, was einem Objekt Tiefe und eine gewisse Wärme verleiht.


Offline Lamp Klemens Schillinger - Interview with Plot Projects Frankfurt
Klemens Schillinger: Offline Lamp (Foto und Headervideo: L. Hilzensauer)
VI

Als wir Stühle für unseren Space recherchiert haben, wären wir fast an unseren Ansprüchen gescheitert: Leicht sollten sie sein, stapelbar, bezahlbar, funktional, schlicht, aber auf den Punkt designt. Welche Ansprüche hattest du selbst an deinen New Address (Chair) O1?

KL

Im Grunde hatte ich ganz ähnliche Ansprüche. Der Stuhl sollte leicht, stapelbar und kostengünstig sein. Wichtig war mir aber auch, dass er aus einem einzigen Material gefertigt wird und aus einer Produktion stammt, zu der ich direkten Kontakt habe. Ich möchte die Herstellungsprozesse verstehen, die Menschen dahinter kennen und unnötig viele Zulieferer vermeiden.

Außerdem sollte der Stuhl nicht nur von vorne, sondern auch von hinten gut aussehen. Oft sieht man Stühle im Raum ja in Kombination mit einem Tisch, und die Rückansicht ist dann das, was im Blickfeld bleibt.


chair 01 by klemens schillinger - interview in plotting mag: plot projects frankfurt am main photo by "Zara Pfeifer"
Klemens Schillinger: New Address (Chair) O1 (Foto: Zara Pfeifer)

"Ich mag es, wenn Objekte im Raum eine Präsenz haben, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Sie sollen die Atmosphäre unterstützen, nicht dominieren."

VI

Wie siehst du die Beziehung zwischen Raum, Menschen und (deinen) Objekten? Welche Rolle sollen deine Werke in ihrer Umgebung übernehmen?


KL

Ich mag es, wenn Objekte im Raum eine Präsenz haben, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Sie sollen die Atmosphäre unterstützen, nicht dominieren. Gleichzeitig finde ich es schön, wenn sie nicht völlig unbemerkt bleiben, wenn man vielleicht erst auf den zweiten Blick merkt, dass etwas besonders durchdacht oder subtil anders ist. Ich glaube, gute Objekte begleiten einen leise, aber dauerhaft.


VI

Wo möchtest du deine Werke am liebsten noch sehen?


KL

Am liebsten dort, wo sie wirklich verwendet werden. Ich freue mich, wenn meine Objekte Teil des Alltags werden, in Cafés, öffentlichen Gebäuden oder anderen Orten zb. wie bei euch, an denen Menschen zusammenkommen. Für mich ist es die schönste Bestätigung, wenn etwas benutzt wird und im täglichen Gebrauch Bestand hat. 

portrait of klemens schillinger, photo by lea sonderegger - interview by plotting magazine - plot projects frankfurt
Klemens Schillinger im Studio (Foto: Lea Sonderegger)
"klemens schillinger" : interview by plotting magazine - plot projects frankfurt photo by "esistfreitag kreativagentur"
New Adress (Chair) O1 im PLOT PROJECTS Space